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Ein für die
Kaliningradskaya Oblast (39) ausgegebenes amtliches Kfz.-Kennzeichen,
welches mit dem Schriftzug "Königsberg" und den alten Wappen der
Stadt zwei bemerkenswerte private Zusätze vorweist. Der Hinweg ins
Memelland
führte über die Kurische
Nehrung, der Rückweg über Советск/Tilsit. |
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Am
Eingang zum Национа́льный парк
Ку́ршская коса/́Nazionalny park Kurschskaja kossa
(Foto links) wird eine Naturschutzgebühr von umgerechnet 7,44 Euro
erhoben, die man auch mit einer Mastercard bezahlen kann. Der Name des
im Jahr 2000 zum UNESCO zum Weltnaturerbe erhobenen, 98 Kilometer
langen Landstreifens (Halbinsel), welcher das gleichnamige Haff von der
Ostsee trennt, stammt aus der Ordenszeit, bezog sich damals
jedoch nur auf den baltischen Volksstamm der Kuren. Ebenso wie die
Frische Nehrung, die aus Königsberger Sicht als Danziger Nehrung
bezeichnet wurde, war ihre Bezeichnung lediglich ein Hinweis darauf,
dass sie nach Kurland führte. Während der mit nur 380 Metern
schmalste Teil der Halbinsel bei Лесной/Sakau in der Kalingradskaya
Oblast liegt, findet sich ihre breiteste Stelle (3,8 Kilometer) bei
Bulvikio ragas
(Bullwikscher Haken), etwa vier Kilometer nordöstlich von Nidden,
dem
Grenzort des litauischen Teils.
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Nach einer Strecke von
etwa 50 Kilometern erreichte ich die russisch-litauische Grenze, an der
es - wie vom Verkehrsschild angekündigt - recht TOLL zugehen
sollte. Jedoch nicht wegen den relativ raschen Grenz- und
Zollkontrollen der Russischen Föderation (Foto rechts), bei denen
die bei der Einreise abgegebene Zweitschrift der 'Erklärung über eine
vorübergehende Einfuhr eines Pkw' lediglich
zurückgegeben werden muss....
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....sondern wegen den
bürokratischen Vorschriften, die der Reisende den litauischen
Zöllner an der EU-Außengrenze ZOLLen muss.
Auch als EU-Bürger und Fahrer eines in Deutschland zugelassenen
Pkw musste ich neben dem mir vorausgefahrenen Fahrzeug zunächst
eine geraume Zeit warten, bis sich die Schranke öffnete und ich zu
einem Kontrollhäuschen vorfahren konnte. Von dort wurde ich jedoch
zunächst barsch an eine Kontrolllinie zurückgewiesen
und dann nach einiger Zeit aufgefordert, an einen anderen
Kontrollschalter zu fahren. Als Nichtraucher hatte ich - wie immer -
für einen Freund zuhause eine Stange Zigaretten gekauft und diese
im Vertrauen auf eine zollfreie Einfuhr offen auf die Rückbank
gelegt. Der litauische Grenzbeamte bedeutete mir, dass zollfrei jedoch
lediglich 2 Päckchen eingeführt werden dürfen und holte
sogleich zwei Kolleginnen vom Zoll herbei. Eine der beiden meinte, dass
umgerechnet etwa 10 Euro Zoll erhoben werden müsste und nahm die
Stange an sich. Für meinen Vorschlag, die Kippen, die ich für
nur 4. Euro erstanden hatte, einfach wegzuschmeissen, konnte sich diese
Dame jedoch nicht erwärmen. Nun dauerte es etwa 90 Minuten bis
mich einer ihrer Kollegen in den litauischen Dutyfree-Shop
komplimentierte, wo ich 20 Euro in knapp 70 Litauische Litas umtauschen
musste. Nachdem ich davon 55 Litas, also knapp 16 Euro abgegeben und
mehrere Formulare unterschrieben hatte.....
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....musste ich noch eine
Gebühr von knapp 6 Euro für die Einfahrt in
den Kuršių Nerijos Nacionalinis Parkas
zahlen und konnte dann endlich nach Europa einreisen.
Nach vier Kilometern erreichte ich das an der Haffseite der Kurischen
Nehrung gelegene Nida/Nidden. Seine
erste urkundliche Erwähnung fand Nida im Jahre 1385 in Dokumenten
des Deutschen Ritterordens. Wie die gesamte Nehrung, war auch der
bis zum Jahre 1675 gut fünf Kilometer
weiter südlich jenseits der Hohen Düne gelegene Ort vom
baltischen Volk der Kuren besiedelt. Die infolge einer Versandung
erforderlich zweite Dorflage von Niddens befand sich danach von bis in
die 1730er Jahre direkt am Haffstrand, etwa auf der Höhe des
Grabscher Haken (von prußisch grabis = Berg).
Der Ortsname Nidden ist eine Ableitung von
prußisch neid, nid, nida, was übersetzt fließen, auf-
und abtauchen bedeutet. Nachdem 1709 fast die gesamte Bevölkerung
von Nidden durch die Pest dahingerafft worden war, erzwang 1730
abermals eine Versandung, den Ort vor der Parnidis-Düne noch ein
drittes Mal aufzubauen. Nida wurden die kleinen Dörfer Skruzdynė
(Ameise) und Purwin (Schmutziger Ort, Sumpf) angegliedert, so dass es
heute mit 1500 ständigen Einwohnern die größte
Ortschaft der Kurischen Nehrung ist.
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Mit der
Entstehung des Expressionismus zog es ab 1900 eine Vielzahl von
Künstlern, wie die Maler wie Lovis Corinth, Max Pechstein und Karl
Schmidt-Rottluff nach Nidden. Besonders verbunden mit dem Ort ist auch
der Landschaftsmaler Ernst Mollenhauer (1892–1963), der hier in den
Jahren 1924 bis 1925 lebte. Um ihren damaligen Treffpunkt Gasthof Blode, das heutige Hotel Nidos
Smilte (Foto links) entstand die Künstlerkolonie Nidden.
Die eindrucksvolle Strandpromenade des Ortes wird von zahlreichen
Denkmälern....
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....und Skulpturen
gesäumt aus den unterschiedlichsten Werkstoffen gesäumt.
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Sehenswert ist das
örtliche Gintaro galerija-muziejus (Bernsteinmuseum),
vor dem man phantasievolle Holzschnitzereien aufgestellt hat.
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Die
einstmals an den Nehrungskähnen angebrachten Kurenwimpel zeigten den kurischen
Fischern bei ihrer Tätigkeit auf den Haffen den jeweiligen
Heimathafen an. Jeder Ort hatte sein eigenes 'Logo". Bemerkenswert
ist, dass sich darin noch heute - wie im Wappen von Nida - mit
weiß und schwarz die Farben des Deutschen Ordens finden.
(Berüchtigt wurde das schwarz-weiße Muster, allerdings in
umgekehrter Farbgebung während der NS-Zeit als
Kraftfahrzeugstander der "Waffen-SS".) Oberhalb des Ufers, etwa
1,7 Kilometer außerhalb der Ortsmitte von Nida befindet sich das
1929 erbaute Ferienhaus des in Lübeck geborenen Schriftstellers Thomas Mann (1875 - 1955)..
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... der hier mit
großartigem Ausblick über das Haff in den Jahren 1930 -
1932 mit seiner Familie die Sommerferien verbrachte und
gleichzeitig an den ersten drei Teilen der Roman-Tetralogie Joseph und
seine Brüder arbeitete.
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Von den
Einheimischen wurde das architektonisch in den Niddener Fischerstil
errichte Gebäude in Anspielung auf den gleichnamigen Roman von
Harriet Beecher Stowe als 'Onkel Toms Hütte' bezeichnet. Thomas
Mann war nicht zuletzt infolge seiner am 17. Oktober 1930 im Berliner
Beethoven-Saal gehaltenen 'Deutschen Ansprache. Ein Appell an die
Vernunft' zu einem Gegner der NS-Ideologie geworden. Im
Sommer 1932 erreichte ihn in seinem damals in Litauen stehenden
Ferienhaus, eine Postsendung mit einem angekokelten Exemplar
seines Romans 'Buddenbrooks: Verfall einer Familie', für den er
1929
den Nobelpreis für Literatur erhalten hatte. Nachdem sich Thomas
Mann zu Beginn des Jahres 1933 für eine Emigration entschieden
hatte und 1936 von den NS-Behörden die deutsche
Staatsbürgerschaft entzogen worden war, hatte wurde das Anwesen
nach der "Wiedervereinigung mit dem Deutschen Reich" im März 1939
von Hermann Göring beschlagnahmt und in Jagdhaus „Elchenhain“ umbenannt. Im
Zweiten Weltkrieg diente das Haus der Erholung von Offizieren der
deutschen Luftwaffe. Bei Kriegsende wurde es von einer Granate
beschädigt. Von der sowjetischen Verwaltung wurde das Gebäude
1954 als „abzureißende Kriegsruine“ klassifiziert. 1967 wurde auf
Anregung des litauischen Schriftsteller Venclovas darin eine
Gedenkstätte eingerichtet, die noch vor dem Fall der Berliner
Mauer
im Jahr 1989 ihre Türen auch für deutsche Besucher
öffnete. Unter anderem mit Mitteln der deutschen Bundesregierung,
wurde das Anwesen ab 1995 restauriert und das Tomo Mano
memorialinis muziejus/ Thomas-Mann-Kulturzentrum
gegründet. 1996 erfolgte die Eröffnung des Museums im
Sommerhaus, welches mit jährlich 40.000 Besuchern das
meistbesuchte Museum Litauens ist.
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"Didvyrio vardas" (im
Namen der Helden) erinnert die Gedenktafel des Mahnmals in litauischer
und russischer Sprache an die Opfer, die dem Rückzug der
Faschisten am 29. Januar 1945 zum Opfer gefallen sind. Zur selben
Zeit fanden damals Tausende von Flüchtlingen im Kugelhagel
sowjetischer Tiefflieger auf dem brüchigen Eis der Frischen
Nehrung den Tod und nur einen Tag später, am 30. Januar 1945, um
21:16 Uhr, wurde vor Stolpmünde/Ustka das Schiff Wilhelm Gustloff torpediert und
versenkt, wobei 9000 Zivilisten in der eisigen Ostsee sterben mussten.
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Die Hauptattraktion der
Kurischen Nehrung sind neben ihren Wäldern und Heidelandschaften
die einzigartigen Wanderdünengebiete. Die Große
Düne bei Nida ist nach der Dune du Pyla bei Arcachon die zweithöchste Düne Europas.
Die einstmals als ostpreußische Sahara genannte Landschaft wurde
auch als Filmkulisse, wie die ns-propagandistisch angelegte
Komödie Quax in Fahrt, einer Fortsetzung von Quax der
Bruchpilot genutzt. Da der zwischen 1943 - 1945 mit Heinz Rühmann,
Herta Feiler, Bruni Löbel, Beppo Brem und anderen
UFA-Größen gedrehte Film nach Kriegsende von der alliierten
Militärregierung verboten werden sollte, sollte seine
Uraufführung erst am 22. Mai 1953 in mehreren deutschen
Städten gleichzeitig stattfinden. Nach dem zweimaligen
Eintrittspreis zur Kurischen Nehrung erwies sich die kurze Fährüberfahrt von deren
Süderspitze/Kopgalis ....
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....zur
800 Meter entfernten, auf der anderen Seite des 'Memeler Tiefs' gelegenen Stadt
Klaipeda erfreulicherweise als kostenlos.
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Zu den
ältesten und erfolgreichsten Tageszeitungen in
Nordostpreußen zählte das Memeler Dampfboot, welches in
seiner ersten Ausgabe erstmals am 3. Juli 1849 erschienen
war. Nach seiner Neugründung im niedersächsischen Oldenburg
Ende 1948/Anfang 1949 wurde das Blatt aufgrund alliierter Vorschriften
zunächst als Memeler Rundbrief publiziert. Die seit dem 5. Januar
1950 wieder unter ihrem alten Namen herausgegebene Zeitung hat heute,
monatlich erscheinend, eine Auflage von 1000 Exemplaren. Der
Akt des Nationalrates Kleinlitauens vom 30. November 1918 ist der
Antrag des Rates Preußisch Litauens (=Memelland) über die
Vereinigung Kleinlitauens mit Großlitauen, welcher später
als Tilsiter Akte bezeichnet werden sollte (Foto rechts).
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Das
nördlich der Flüsse Memel/Nemuna/Неман und Ruß/Rusnė
gelegene Memelland/Memelgebiet/Klaipėdos kraštas wurde nach
Artikel 99 des Versailler Vertrags 1919 ohne Volksabstimmung an die
alliierten Mächte abgetreten. Nachdem es als Territoire de
Memel/Région de Klaipėda ab 1920 von Frankreich als
deren Vertreter verwaltet worden war, wurde es am 10. Januar 1923, und
damit zeitlich synchron zur französisch-belgischen
Ruhrinvasion, von über 1000 bewaffneten Litauern im Handstreich
(Klaipėda-Revolte) besetzt. Die französischen Truppen und
Verwaltungskräfte verließen am 19. Januar 1923 das
Land. Am 16. Februar 1923 erkannte die Botschafterkonferenz die
Angliederung des Memelgebietes an Litauen als Faktum an und
übergab nun auch formell die Hoheit über das Gebiet an
Litauen. Zu der im Mai 1924 vom Völkerbund anerkannten
Memelkonvention gehörte eine Bestimmung über die eine
Autonomie des Memellandes innerhalb Litauens. Trotz des vom litauischen
Parlament am 8. Mai 1924 beschlossenen Autonomiestatus verloren die
verloren die Memelländer durch diese Annexion ihre deutsche
Staatsangehörigkeit und wurden Litauer. Sie konnten allerdings
für die deutsche Staatsbürgerschaft optieren. Die Wahl zum
Landtag 1925 erbrachte Stimmenanteile von mehr als 80 % für die
deutschsprachigen, die Autonomie vertretenden Parteien. Auch nachdem im
Dezember 1926 die Autonomie per Kriegsrecht weitgehend aufgehoben
worden war, fielen die Ergebnisse der nachfolgenden Wahlen auch
weiterhin eindeutig gegen die Litauer Militärdiktatur von Antanas
Smetona aus. Am 1. November 1938 wurde der jahrelang bestehende
Ausnahmezustand aufgehoben und bei der Wahl zum 6. memelländischen
Landtag am 1. Dezember erhielt die von der NSDAP gesteuerte deutsche
Einheitsliste 87,2% der Wählerstimmen. |
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Die Nazis erhöhten
Ende 1938 den Druck auf Litauen durch die Androhung militärischer
Maßnahmen im Falle von Unruhen. Daraufhin erklärte sich die
litauische Regierung zu Verhandlungen mit Deutschland bereit. Zudem
erklärten Großbritannien und Frankreich, sahen sich
lediglich als Unterzeichner, nicht als Garanten der Memelkonvention vom
8. Mai 1925 und erklärten, keinerlei Maßnahmen zur
Fortsetzung der litauischen Herrschaft ergreifen zu wollen. Im
Frühjahr 1939 forcierte Reichsaußenminister Joachim von
Ribbentrop bei einem Treffen mit seinen litauischen Amtskollegen Juozas
Urbšys (1896-1991) erneut den Druck auf Litauen, um Litauen zu einer
schnelle Entscheidungen zu erpressen. Nachdem der litauische
Ministerrat und das Parlament einer „Rückgabe“ des Memellandes an
Deutschland zugestimmt hatte, wurde am 23. März 1939 der
„Deutsch-Litauische Staatsvertrag zur Wiedervereinigung des Memellandes
mit dem Deutschen Reich" unterzeichnet. Nach dem Abzug litauischer
Truppen und der Verwaltung rückten Wehrmachtsverbände ins
Memelland ein. Noch am selben Tag erfolgte die Wiederangliederung des
Memellandes als Teil der Provinz Ostpreußen an das Deutsche
Reich. Noch am selben Tag rückte auch Adolf Hitler stehend im
offenen Wagen in Memel ein (Foto rechts) und verkündete vom Balkon
des Theaters (Foto links) die „Heimkehr des Memellandes“.
Vor dem Theater steht seit November 1989 eine Nachbildung
einer Skulptur der Anke van Tharaw, die von Alfred
Künne zum Gedenken an den in Klaipeda geborenen deutschen Dichter
und Schriftsteller Simon Dach geschaffen wurde. Als
Ännchen von Tharau wird
Anna Neander, die Tochter des Tharauer Pfarrers seit dem 17.
Jahrhundert in 17 Strophen besungen. Das Memelland sollte das letzte
Gebiet bleiben, welches sich der NS-Staat ohne
Krieg einverleiben konnte. Knapp sechs Monate später entfachte er
seinen Eroberungs- und Vernichtungskrieg.
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Das 1924 gegründete Mažosios Lietuvos istorijos muziejus
(Museum der Geschichte Kleinlitauens) beherbergt
Exponate aus einem Zeitraum, der bis ins Neolithikum im 4.
vorchristlichen Jahrtausend zurück reicht. Archäologische
Funde belegen, dass das Gebiet nach der letzten Eiszeit durch
Angehörige der Hamburger Kultur, einer Variante der
Magdalenien-Kultur, und der südeuropäischen Swidry-Kultur
besiedelt war. Die Zeit von 4000 bis 2500 v. Chr. wird nach dem
estnisch-russischen Grenzfluss Narwa Memel-und-Narwa-Kultur genannt.
Seit etwa 2500 v. Chr. war diese Region Siedlungsgebiet westbaltischer
Stämme. Eine Gegenüberstellung des heidnischen baltischen
Kalenders zum christlichen (Foto rechts).
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An der Spitz ihres
Pantheons verehrten die baltischen Völker den Himmelsgott, welcher
altpreußisch Deiws, litauisch Dievas und lettisch Dievs genannt
wurde. Ihm zur Seite stand der Donnergott Percunis/Perkūnas/Pērkons,
der die Fruchtbarkeit förderte und die Lebensordnung bestimmte.
Eine weitere bedeutsame Rolle spielte die Sonnengöttin
Saulé), welche bisweilen in Beziehung zur Mondgottheit
Menins/Mēnuo/Menuli Mēnes trat. Von besonderem Gewicht war auch die
Schicksalsgöttin Laima, da sie Glück, Erfolg und
Fruchtbarkeit für Acker und Vieh spendete. Die im 13. Jahrhundert
an der Mündung der Dange
erbaute kurische Holzburg wurde 1252 vom sechsten Deutschmeister und
Statthalter des Hochmeisters von Livland, Eberhard von Seyne erobert,
der an gleicher Stelle die Memelburg
errichten ließ. Die 1202 in Riga gegründeten Fratres miliciae Christi de Livonia
(Brüder der Ritterschaft Christi von Livland), kurz Schwertbrüderorden
(Foto rechts) genannt, waren nach ihrer vernichtenden Niederlage gegen
die Litauer in der Schlacht von Schaulen (22.09.1236) im Jahre 1237
gemäß päpstlichem Schiedsspruch in der Viterber Union
mit dem Deutschen Orden vereinigt. Ihr Besitz wurde auf den Deutschen
Orden bei Wahrung eigener livländischer Verwaltung übertragen.
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Die Burg befand sich auf
einer Insel in der Mündung des Flüsschens Dange/Danė,
dessen Name sich vom kurischen Begriff Danga (bogenreicher Fluss)
ableitete. Das Siegel mit der Umschrift SIGILLVM BVRGENSIVM DE MEMELA stammt
aus dem Jahr 1446 (Foto links). Es diente als Vorlage für das
Wappen der Stadt Memel, welches auch von der litauischen Stadt Klaipėda
übernommen wurde.
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Unter maßgeblicher
Beteiligung Dortmunder Kaufleute wurde 1253 auf
dergegenüberliegenden Flussseite eine Siedlung gegründet, die
ursprünglich Neu-Dortmund
genannt werden sollte. Von der westfälischen Mutterstadt hatte man
die Zusendung einer Aufzeichnung des Rechts und der Gewohnheiten
erbeten, die bereits 1252 als unter dem Titel Über "Die Freiheit
unserer Stadt" niedergeschrieben worden war. Im Jahre 1258 erhielt
Memel dann lübisches Stadtrecht. Es wurde nun urkundlich als Memele castrum (Memelburg, auch Mimmelburg)
erwähnt. Der Name Memel leitet sich vom kurisch-lettischen und
bezeichnet sowohl
das Haff als auch den Unterlauf des Flusses Memel. Auch die Bezeichnung
Klaipėda in der Form von klais/klait (flach, frei, offen) und ped
(Fußsohle, Grund) kurischen Ursprungs. Die Karte
rechts zeigt die einzelnen Etappen bei der Eroberung der
prußischen Länder durch den Deutschen Ritterorden (Prusu
zemes uzkariavimas).
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Zum Mažosios
Lietuvos istorijos muziejus gehört
auch das am einstigen Burgort errichtete, zuletzt 2002 renoviert Burgmuseum von Klaipeda,
wo dem Besucher die Benutzung eines Computerterminalangeboten wird,
welches die Stadtgeschichte ausgesprochen lebendig darzustellen vermag.
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1328
gingen Burg und Stadt an den Deutschen Orden über, wodurch Memel
Teil des preußischen Ordensstaates wurde. Das Foto links zeigt
en Wappenschild des Hochmeisters des deutschen Ordens und dokumentiert
die mittelalterlich-christliche Sicht von Herrschaft und Heidenkampf.
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Die
gemauerten Gänge der einstigen Festung bieten Schauvitrinen und
stimmungsvolle Szenerien. In zahllosen Kriegen zwischen dem vereinigten
Polen-Litauen und dem Deutschen Ordensstaat wurde die Stadt Memel in
den Jahren 1379, 1409, 1456, 1459, 1464 und 1520 mehr geplündert
und abgebrannt. Im Frieden von Melnosee 1422, in dem der Orden Samaiten
und andere Gebiete an Polen-Litauen abtreten musste, wurde dem Passus
'et castrum Memel in Samogitico Cleupeda appellatum' auch
erstmalig ein alternativer Name für die Stadt Memel dokumentiert. Im
Jahre 1475 erhielt Memel das Kulmer Recht, auch Kölmisches Recht
genannt. Die festgelegte Grenze, innerhalb derer die Stadt
Memel und das Gebiet bis zum 50 Kilometer südlich in das Haff
einmündenden Fluss Memel dem Deutschen Orden bestätigt
wurden, blieb auch bestehen, als der Ordensstaat in Preußen 1525
ins Herzogtum Preußen überging. Diese Grenze zwischen
Preußen und Litauen war eine der am längsten
unveränderten Grenzen in Europa, kulturell bestand sie bis 1945.
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Der Plan links zeigt die
Stadt- und Burg von Memel während ihrer Belagerung durch die Armee
der russischen Zarin Elisabeth zwischen dem 19. – 25. Juni 1757.
Ein Blick in eine 'preußen-litauische' Wohnstube zu Beginn des
20. Jahrhunderts (Foto rechts).
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Die
Rekonstruktion des im 15. Jahrhundert errichteten, Ende des 19.
Jahrhunderts abgerissenen Großen Pulverturms. Das Memelgebiet war
erst mit der Abtrennung vom Deutschen Reich am 01.10.1920 entstanden
und zu einem Begriff geworden. Zuvor hatte der Landstrich zur
preußischen Provinz Ostpreußen gehört, war in deren
Kreisstrukturen eingegliedert und besaß daher auch keine eigene
Flagge. Die für das Memelgebiet eingeführte
längsgestreifte gelb-rote Fahne (mit dem Stadtwappen von Memel auf
einer roten Scheibe) wurde außerhalb der Stadt Memel kaum
verwendet. Die Bevölkerung der beiderseits [!] des Flusses Memel
gelegenen Landschaft hissten vielmehr eine waagerecht gestreifte Trikolore in grün-weiß-rot,
den als preußisch-litauisch geltenden Farben, die heute noch in
der Flagge der Stadt Советск/Tilsit zu
sehen sind. |
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Die
ursprüngliche, um die Burg und die heutige Altstadt angelegte
Befestigung wurde im 17. Jahrhundert um einen größeren
Befestigungsring erweitert. Im Jahr 1627 begann man mit dem Bau von bis
zu 3,5 Meter hohen Bollwerke, die man mit Gräben umgab. In der
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte diese Befestigungsanlage
jedoch ihre Bedeutung verloren, so dass man mit ihrem Abriß
begann. Die Parkanlage Jonas
Hügel ist als Überrest der Fortifikation
erhalten geblieben.
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1922 in München
gedruckte, von der Handelskammer des Memelgebietes als Notgeld
herausgegebene provisorische Geldscheine (Foto links). Mit seiner
grauen Farbe, seinen blauen Mustern und seiner Salzglasur erinnert
diese Steinzeugkanne spontan an einem 'Bembel', wie er in Frankfurt am
Main und Umgebung verwendet wird. Ob jedoch aus dem
memelländischen
Exemplar jemals "Ebbelwoi" ausgeschenkt wurde, ist eher
unwahrscheinlich. |
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Herkus Mantas (1225/1230 - 1273), war Herzog der
Natanger, Stammes der baltischen Prūsai (Prußen). Sein
prußischer Name lautete Erkus
Mants.
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Die
Siedlungsgebiete der indoeuropäischen
Balten, den letzten
'heidnischen' Völkern und Stämmen Europas. Ein Relief
mit prußischen Kriegern
im Kampf gegen christliche Kreuzfahrer von einem
Säulenkapitel der Marienburg, heute Malbork in Polen.
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Gut sieben Kilometer
nördlich des alten Zentrums der Stadt Memel liegt das heute als
Ferienort beliebte Melnrage/Melleneraggen,
dessen Toponym sich sich von seiner Lage, bzw. den kurischen
Wörtern melns (schwarz) und rags (Horn, Hinausragendes) ableitet.
Das Gemeindehaus und der Strand des 1946 von Klaipėda eingemeindeten
Dorfes Mellneraggen, zu dem 1940 auch das Seebad Försterei
gehörte.
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Das einstige Nimmersatt im Kreis Memel
gehörte bis 1919 zur preußischen Provinz Ostpreußen
und war bis dahin als selbständige Gemeinde der nördlichste
Ort des Deutschen Reiches. Mit Essen, Sättigung und der
gleichnamigen kleinen Raupe hat der Ortsname jedoch nichts zu tun, denn
er wurde von den kurischen Begriffen nemiršele
(Sumpfvergissmeinnicht) und sata (Gehöft) abgeleitet. Als Immersatt wurde hingegen um 1902 die
Posthalterei und des Lembkeschen Gartenrestaurant bezeichnet, an dem
das Kurhaus Nimmersatt errichtet
werden sollte. Nimmersatt lag zu preußisch-deutschen Zeiten an
der Nordspitze eines ostpreußischen Landzipfels, der im Westen
von der Ostsee und im Osten und Norden von Rußland umgeben war.
Wenige Meter von der Ruine der
Gaststätte John Karnowsky (Foto rechts), dem einstigen Kurhaus von Nimmersatt entfernt,
verlief bis 1918 die deutsch-russische Grenze. Nach der "Heimholung"
des Memellandes war das bereits vor dem Jahre 1433 gegründete
Nimmersatt bis 1945 erneut der nördlichste Ort des Deutschen
Reiches. 1945 seine wenigen alten Häuser und Höfe vom
litauischen Kurort Palanga, dem einstmals im russischen Zarenreich
liegenden Grenzort Polangen (von kurisch pa-langa = beim Sumpfloch),
eingemeindet. Eine Entfernung von weniger als 20 Kilometer zur jenseits
der heutigen litauisch-lettischen Grenze gelegenen Rucavas novads verdeutlicht einmal
mehr den eng zusammenhängenden Raum der baltischsprachigen
Völker. |
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Ein weiteres historisches
Relikt und Kulturdenkmal im heutigen
Pajūrio regiono parke galime sutikti Nemirsetoje stellt die Nemirsetos gelbėjimo stotis dar.
Die Rettungsstation gehörte zu dem zwischen 1870 - 1890 an den
allen Küsten des Deutschen Reiches eingerichteten Bergungssystem
für die aufgrund von Untiefen Untiefen in Seenot geratenen
Schiffsbesatzungen. Die Rettungsmannschaften bestanden aus zwei
Senioren- und etwa 20 Ersthelfern aus den Reihen der lokalen Fische.
Als Freiwillige arbeiteten sie ohne Vergütung. Die Rettungsboote
wurden auf einem speziellen Rollstuhl, der bei Bedarf von Pferden ins
Wasser gezogen werden konnte, gelagert.
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Während
ich den zahlreichen Sorten des litauischen Alus widerstehen konnte,
gönnte ich mir für etwa 7 Euro diese leckere Lachsroulade.
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Eine originelle Skulptur
(Foto links) und ein Millenniums-Denkmal ,welches an die erstmalige
erste urkundliche Erwähnung von Litauen in den Quedlinburger
Annalen im Jahre 1009 erinnert. Das zu den Wahrzeichen der Stadt
Klaipeda gehörende Segelschiff
Meridianas wurde im Jahre 1948 in Finnland erbaut und ging
zusammen mit anderen Holzschiffen als Kontribution in
den Besitz der Sowjetunion über. Bis 1967 diente die Meridianas im
Besitz der Seefahrtschule Klaipedas als Übungsschiff
zukünftiger Schiffsführer und Kapitäne. Im Mai
1969
wurde das Segelschiff in der Danė verankert, 1971 darin ein
beliebtes Restaurant eröffnet. Nachdem der damalige Besitzer
das Schiffe hatte verrotten lassen, ging das Schiff im Jahre 2001
für einen Symbolpreis von 1 Litas in den Besitz des Juristen A.
Žičkus über, der eine Kampagne zur Restaurierung startete.
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Über die
hochklappbare Biržos tiltas
(Wechselbrücke) über die Danė gelangt
man zum 1782 erbauten Klaipėdos rotušė,
dem ehemaligen Rathaus von Memel. Zu Beginn gehörte es dem
dänische Konsul Lorenz Lorck, welcher es an seinen Schwiegersohn
aus der Kaufmanns-Familie Consentius verkaufte. Es wurde daher als Haus
Consentius bezeichnet. Von 1807 bis 1808 residierte hier Friedrich
Wilhelm III. von Preußen mit seiner Frau Luise auf der Flucht vor
Napoleon im vierten Koalitionskrieg. Später wurde es als
Börsenhalle genutzt. 1846 kaufte schließlich der Magistrat
der Stadt Memel das Gebäude für 13.000 Taler. Zum Rathaus
geworden, überstand das Gebäude den Stadtbrand von 1854
unbeschädigt. 1876 wurde es im Stil der Neorenaissance umgebaut.
Die Gesamtkosten des Umbaus betrugen 60.000 Taler. Nach 1923 tagte im
Gebäude der Memelländische Landtag. Vor dem - auch von den
Zerstörungen des Zweiten Weltkrieg verschont gebliebenen - Rathaus
steht mit dem Žvejas (Fischer)
eine Skulptur, die zum 37. Meeresfest (1971) als Geschenk in den Besitz
der Stadt Klaipeda ging.
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Um die bei Stürmen
sehr gefährliche Windenburger
Ecke zu meiden, wurde zwischen 1863-1873 der nach dem
preußischen König Wilhelm IV. (ab 1871 der
preußen-deutsche Kaiser Wilhelm I.) Wilhelm-Kanal genannt. Die
künstliche Wasserstraße verbindet den Atmathstrom, Taggraben
und die Minge mit dem Memeler Tief.
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Priekulė/Prekule/Prökuls ist
eine kleine, etwa 26 Kilometer südlich von Klaipėda, am Ufer der
Minge liegende Ortschaft. Ein Obelisk mit Eisernem Kreuz erinnert
erinnert an die für Preußens Gloria Gefallenen (Foto links).
Die zwischen 1688 - 1697 erbaute protestantische Kirche, wurde am Ende
des zeiten Weltkriegs zerstört. Die noch verbliebenen
Gemeindemitglieder bauten deshalb ihr Gemeindehaus zur Kirche um und
fügten einen Turm an, in dem die Glocken aus der zerstörten
Kairinner Kirche aufgehängt wurden. Die Fundamente der
zerstörten Kirche wurden durch eine niedrige Mauer sichtbar
gemacht und ein Gedenkaltar aufgestellt.
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Auch Šilutė/Heydekrug
war aus einer Gaststätte (Dorfkrug) hervorgegangen, der sich seit
1785 zum preußisch-litauisch Szillokarszmo, dem bedeutendsten
Marktflecken zwischen Memel und Tilsit entwickelt hatte. Erst im Jahre
1941 wurde Heydekrug zur Stadt erhoben und 1945 kam es mit dem
Memelland zur Lietuvos Tarybų Socialistinė Respublika
(Litauischen Sozialistischen Sowjetrepublik; kurz LiSSR) und wurde in
Šilutė umbenannt.
Die Zerstörungen waren bei Kriegsende waren gering, so dass der
Stadt der Charakter eines deutschen Landstädtchens erhalten blieb.
2011 war die Šilutė mit seinen zahlreichen aufgestellten
Skulpturen die Kulturhauptstadt Litauens. In Heydekrug wurde 1925 die
Hollywoodschauspielerin Cornell
Borchers und 1942 Doris Treiz geboren, die als
Schlagersängerin Alexandra
bekannt wurde und in der Nacht zum 31. Juli 1969 bei einem
Verkehrunfall den Tod fand. |
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Das
Denkmal für den in Matzicken/Macikai, Kreis Heydekrug geborenen,
umstrittenen Schriftsteller und Bühnenautor Hermann Sudermann
(1857 - 1928) [Sorry für das unscharfe Foto. Leider hatte ich erst
später bemerkt, dass sich die Einstellungen meiner Kamera in der
Hosentasche verstellt hatten.] Der Grundstein der
ursprünglich als Kaiser-Wilhelm-Jubiläumskirche gedachten Evangelisch-lutherische Kirche von Heydekrug
(Šilutės evangelikų liuteronų bažnyčia) wurde 1913 gelegt. Das
Grundstück für die Kirche war vom Verleger und Mäzen
Hugo Scheu (Hugo Šojus) kostenlos zur Verfügung gestellt
worden. Nach einem Baustopp im Ersten Weltkrieg
konnte der Bau erst 1924 fortgesetzt und 1926 vollendet werden.
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Die Skulptur einer
trauernden Mutter und der russische und litauischen Text einer
Gedenktafel erinnern an die Toten der Jahre 1941 - 1945.
Über die Pforte der 1997 renovierten neugotischen Kirche wurde die
Textzeile des von Martin Luther um 1529 geschriebenen und komponierten
Kirchenlied "Ein feste Burg ist unser Gott" angebracht.
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10 km
südöstlich von Šilutė, rechts neben der krašto keliai
(Nationalstraße 141) liegt der kleine Kirchort Vyžiai/Wieszen.
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Weiter 14 Kilometer in
Richtung Tilsit finden sich auf der linken Seite der N 14, in Nähe
des Ortes Usėnai/Mädewald
diese kunstvollen, offenbar altprußischen Vorbildern
nachempfundenen Schnitzereien (Foto links). Nach weiteren 27
Kilometren hatte ich die Karalienės
Luizos tiltas/Мост королевы Луизы/Königin
Luise-Brücke erreicht, über die ich von
Pagėgiai/Pogegen
über den Fluss Nemuna/Неман/Memel
zurück in die Калининградская
область nach Советск/Tilsit fahren konnte (Foto rechts).
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Von der am 18. Oktober
1907 eingeweihten, nach Luise von Mecklenburg-Strelitz benannten
Brücke aus bot sich mir ein Blick auf das russische Ufer, an dem
ich bereits im Jahre 2006 gestanden hatte.
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