• Letzte Aktualisierung: 14.05.2012

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Korsika / Corsika /Corse

                            Sartène/Sartè - Levie/Livia - Carbini                               Castellu di Cucuruzzu - Castellu di Capula

           



Der Schriftsteller Prosper Mérimée (1803 - 1870) bezeichnete die auf einem 305 Meter hohen Felsporn erbaute Stadt Sartè (französisch: Sartène) als "die korsischte aller Städte".  Eine hohe Zahl von Fällen vollzogener Blutrache im 18. und 19. Jahrhundert brachte Sartè auch den zweifelhaften Titel "Hauptstadt der Vendetta"  ein. Blutige Konflikte zwischen einzelnen Familien, aber auch zwischen Bewohnern des Altstadtviertels Santa Anna und dem ärmeren Borgo kosteten mehrere Hundert Menschen das Leben. Die Entstehung dieser Form der Selbstjustiz liegt zwar im Dunkeln, das Fehlen einer funktionierenden Gemeindeverwaltung und ordentlichen Gerichtsbarkeit haben sie jedoch begünstigt. An deren Stelle trat in der Abgeschiedenheit der Bergdörfer die Bedeutung der eigenen Familie und Sippe, deren Ehrenverletzung nicht so leicht hingenommen werden konnte. Manchmal reichte hierzu nur der Diebstahl eines einzigen Hahns oder das versehentliche Erschießen eines wilden Hausschweins des Nachbarn, um einen Vendetta-Kreislauf in Fahrt zu setzten. Der Vendettamörder floh in die Macchia und wurde dort zu einem Banditen, der mit seinen Schicksalsgenossen die Reichen überfiel und ausplünderte. Bandit ist auf Korsika ein durchaus ehrbarer Titel, weil derjenige der so bezeichnet wird die Ehre seiner Familie verteidigt hat. Die Rolle der Frauen beschränkte sich dagegen darauf nach einem Vendetta-Mord symbolisch Rache zu schwören und dafür die Familie in die Pflicht  zu nehmen. Einen guten Einblicke in jene Abläufe vermittelt die Novelle "Columba" von Prosper Mérimée aus dem Jahre 1840, die in deutscher Übersetzung als Reclamheft  erhältlich ist. Bis zum beginnenden 20. Jahrhundert war die Vendetta keine gelegentliche Erscheinung in den korsischen Dörfern, sondern die Regel. Vom 16. bis 19. Jahrhundert sind auf  Korsika mehr Menschen der Vendetta zum Opfer gefallen, als durch die unzähligen kriegerischen Auseinandersetzungen. So wurden die turmartigen Wohnanlagen auch nicht zum Schutz vor Sarazenenüberfällen befestigt, sondern zum Schutz vor feindlichen Sippen.


Die Legislative der von Pasquale Paoli (Foto links) geschaffenen Repubblica Corsa (1755 - 1769) trat der Vendetta entschieden entgegen, indem sie für Vendettamörder die Todesstrafe und auch für andere Beteiligte den Abriss ihrer Häuser androhte. Obwohl Paoli im Kampf gegen die Franzosen jeden Mann brauchte, lehnte er die Unterstützung durch Banditen ab. Oberhalb der Altstadt  befindet sich das sehenswerte Musée Départmental de Préhistoire et d'Archéologie Corse (Foto rechts), in dem eine Vielzahl von Exponaten zu sehen ist, die als Grabbeigaben an verschiedenen prähistorischen Fundstellen im Süden Korsikas dienten. Die meisten der Ausstellungsstücke stammen daher aus dem Sartenais.


Obsidianklingen die Schneidewerkzweuge des Neolithikums sind ein messerscharfes vulkanisches Gesteinsglas (Foto links).  Neolithisches Gerätschaften
(Foto rechts): Rollenförmige Statuette (1), Dekorierte Spindel (2),  Dekorierter Anhänger (3), Griff und Teilstück eines Steingefäßes (4).  




Bronzezeitliche Bandkeramikscherben unterschiedlichen Musterungen (Foto links).  Aus römischer Zeit stammen diese drei, aus Knochen gefertigte Teile (rechtes Foto): Schrankverzierung (1), Kammstiel (2) und Deckel (3) wurden an der Site de Castello  in Corti gefunden.


Die von Pisanern und Genuesen rings um die Insel (Foto links) errichteten Wachtürme  bildeten zusammen als Torregiana ein Frühwarnsystem vor den Sarazenenüberfallen . Entgegen dem hier abgebildeten Modell (Foto rechts) waren die meisten Wachtürme, fälschlicherweise auch Sarazenentürme genannt von Runder Form. Von den einstigen 67 Wachtürmen sind  heute noch 67 intakt.


1583 fiel Sarté trotz ihrer Befestigungen einer Razzia des christlichen Renegaten und osmanischen Paschas von Algier, Hasan Veneziano , zum Opfer. Die Stadt wurde geplündert und gebrandschatzt. Mehr als 400 Einwohner, vornehmlich Frauen und Kinder, wurden aus Sarté verschleppt und auf den Sklavenmärkten  Nordafrikas verkauft.


Im kleinen Ort Carbini steht die Kirche von San Giovanni Battista, die im späten 11. Jahrhundert von den Pisanern im romanischen Stil errichtet wurde, und ab 1350 mit der unmittelbar daneben stehenden Kirche San Quilicio 1350 der Sekte (gelle Siggi!) der Giovannali als Versammlungsort diente. Von der 1363 zerstören Kirche San Quilicio sind heute nur  dnochie Grundmauern vorhanden (Foto rechts). Der einst beiden Kirchen dienende dreistöckige Campanile (Foto links) hatte ursprünglich sieben Stockwerke. Obgleich die Ghjuvannali/Giovannali keine nachweislichen Kontakte ins Languedoc hatten, wurden sie auch als „korsische Katharer“ bezeichnet. Die Bruderschaft wurde vielmehr von einem im Alta Rocca geborenen Franziskaner-Dissidenten gegründet. Unter der Führung von Giovanni Martini folgten die Anhänger einer noch strengeren sozialen und religiösen Lehre, die auf Armut und Hingabe beruht. Persönliches Eigentum gab es nicht, alles gehörte der Gemeinschaft, die Bußen und Handlungen der Kasteiung verhängte. Während sie sich für Demut, Einfachheit, Armut, Gewaltlosigkeit und die Gleichberechtigung von Mann und Frau aussprach, lehnte die Bruderschaft das Sakrament der Ehe ab weigerten diesem zusätzlich zu seinen Privilegien und für seine Willkürherrschaft auch noch Steuern zu zahlen. Im Jahr 1352 wurden sie daher vom Bischof von Aleria als "Ketzer" exkommuniziert. Mit ihrem Appell an den Erzbischof von Pisa erreichten die Ghjuvannali zunächst eine Aufhebung der Exkommunikation.


Während sie aufgrund ihrer Spiritualität überall auf Korsika ganz im Sinne Johannes des Täufers (Foto links) und Jesus Christus (Foto rechts) an religiöser und sozialer Bedeutung gewinnen konnten, lehnten sie die kirchliche Hierarchie und Autorität ab, weil diese der christlichen Botschaft entgegensteht. Aufgrund den Klagen des Bischofs von Aleria, Raimondo II., wird die Bruder 1354 erneut, diesmal als - gegenüber der bischöflichen Autorität respektlose  - „Ketzer“ von Papst Innozenz VI. exkommuniziert. Sein Nachfolger, der Benediktiner Urban V. hält die Exkommunikation aufrecht und sendet einen Legaten nach Korsika. Mit Unterstützung der lokalen Fürsten unternimmt dieser einen „heiligen Kreuzzug“ in die Region von Carbini, bei dem ab 1363 im Namen der Kirche die Mehrzahl der Ghjuvannali, darunter Frauen und Kinder massakriert wird. Anstatt ihren Glauben zu entsagen, wollte einige mit der Waffe in der Hand sterben. Sie wurden in der Nähe von Ghisoni in einem Wäldchen eingekesselt, das man anschließend abbrennen ließ. Die Gruppe Canta u populu Corsu hat dieser dunklen Zeit ihre Lied I Ghjuvannali (Zum Anhören des korsischen Gesangs den Liedtitel anklicken!) gewidmet. 


Unterhalb von manchen Arkaden an den Seitenmauern befinden sich Köpfe von Tieren oder Fantasiewesen (Foto links). Nachdem man den im Schloss steckenden Schlüssel der kleinen Tür an der Südwand von San Giovanni Battista (Foto rechts) herumgedreht hat, gelangt man in das Innere der Kirche.  Der Campanile wurde nach einer Empfehlung von Prosper Merimée im 19. Jahrhundert renoviert.


Auf einem 800 - 900 hohen Granitplateau liegt der Ort Livia (französisch: Levie) mit seinem im Rathaus untergebrachten Musée de l 'Alta Rocca (Foto links) In didaktisch vorbildlicher Weise wird der Museumsbesucher in die Siedlungsgeschichte der Region von präneolithischer Zeit bis ins Mittelalter eingeführt. Eine Karte zeigt die Verbreitung der Tierzucht von Osten nach Westen ab dem 7. Jahrtausend vor Christus (Foto rechts).


Vorgeformte Bruchstücke aus glänzendem Obsidianglas, das vom Monte Acri auf Sardinien stammt und die 11,5 cm große Venus de Denesse .


Die Anhänger in Form von Oliven (Foto links) und die Gürtelteile (Foto rechts) stammen aus der Bronzezeit...


...ebenso wie die aus Bronze gefertigten Speer- und Pfeilspitzen. Die rekonstruierten Statuen "Crilia und Macchavioni" die in Serra di Scompamena gefunden wurden (Foto rechts).

Die während der Ausgrabungen bei Araguina-Sennola (1966 – 1975) gefundene „Dame von Bonifacio“ wird ins Mesolithikum (um 6570  v. Chr.) datiert und ist damit das älteste Skelett, das auf Korsika ausgegraben wurde. Der pathologische Befund hat ergeben, dass die Frau unter Wachstumsstörungen litt, die sich in der Lähmung des linken Ellenbogens und der linken Hand sowie einer Missbildung der Ferse zeigten. Zu einer dieser Gehbehinderung kam noch fortgeschrittener Zahnkaries, der eine Ostitis des Kiefers zur Folge hatte, so dass die Dame schließlich an in Folge einer Sepsis verstorben ist. (Foto links). Weitaus jünger ist dagegen "La Dame de Capula" (Foto rechts).

Die aus Elfenbein geschnitzte Jesus-Skulptur ist ein  Geschenk des Papstes Sixtus V. (1585 - 1590), dessen Vorfahren aus Livia stammen sollen. Möglicherweise wurde sie bereits im 15. Jahrhundert angefertigt und stammt aus der Schule des florentinischen Bildhauers Donatello . Eine besondere Beachtung verdienen die exakten Proportionen, die hervorragende  Anatomie und die Details, die den Schmerz Jesu zeigen, wie beispielsweise die Mundwinkel und der gespreizte große Zeh.


Das erst bei Luftaufnahmen im Jahre 1959 entdeckte torreanische Castellu di Cucuruzzu liegt ebenfalls wie die Ortschaft auf dem 900 Meter hohen Granitplateau Pianu di Levie. Cucuruzzu ist war Festung und Siedlung verschiedener Volksstämme, die hier zwischen der späten Bronzezeit und der Eisenzeit hier gelebt haben. Auf einem von Findlingen gesäumten schmalen Weg gelangt man....


...zunächst an sogenannte Tafoni, deren Bezeichnung auf den korsischen Begriff pietra tafunata  (durchlöcherter Stein) zurückzuführen ist. Die bei der Tafonierung, einer chemischen Verwitterung von innen nach außen (Kernverwitterung) entstandenen kugel- bis nierenförmige Hohlräume mit einem Durchmesser von wenigen Zentimetern bis zu einem halben Meter wurden von den Menschen für verschiedene Zwecke benutzt.   .


Das um 1500 v. Chr. auf einem Hügel in strategisch günstiger Lage errichtete Kastell  ist das am besten erhaltene der bisher zwölf in der Alta Rocca entdeckten torreanischen Rundbauten


Im Westen befindet sich der einzige Zugang zwischen den Hälften eines geborstenen riesigen Granitblocks, wo man über eine Steintreppe in das Innere des zyklopischen Mauerwerks gelangen kann (Foto links). Aus dem farbigen Grundriss sind die verschiedenen bronzezeitlichen Ausbauphasen des Castellu ersichtlich (Foto rechts).


Den Holzsteg versuchte man möglichst genau zu rekonstruieren. Sein Original gehörte zu einem Teil von Aufbauten, die eine viereckige Kammer bedeckten, von wo aus sich der Eingang gut überwachen ließ; rechts die als Töpferei bezeichnete Loge (Foto links). Die größte, als Metzgerei bezeichnete Loge (Foto rechts).


Das höher gelegene Kultmonument diente wahrscheinlich dem Totenkult. Die etwa 10 Meter über dem einstigen Dorf gelegene runde Cella schließt sich an einen Naturfelsen an. Sie hat einen Durchmesser von 3 bis 4 Metern und ihr " falsches Gewölbe" (Bienenkorbkuppel) ist die einzige intakte torreanische Kuppel (Foto links). Vom Eingang des Kultmonuments bietet sich nach Osten eine beeindruckender Ausblick auf die Furchi di Bavedda.


Gleich links hinter dem Eingang des Kultmonuments beginnt ein Nebengang  (Foto links). Im Sektor der Kasematten wurden aufgeschichtete Steine in die Befestigungsmauer eingefügt. Hinter den Eingängen zu den als Vorratskammern bezeichneten Räumlichkeiten wurde das Mauerwerk sehr sorgfältig ausgeführt (Foto rechts) .


Das im Eintrittspreis für Cucuruzzu inkludierte Castellu di Capula ist eine torreanische Stätte die bis ins Mittelalter bewohnt war. Von Cucuruzzu nach Capula sind es etwa 20 gemächliche Gehminuten. Vermutlich wurde das Dorf durch einen Angriff Sincellos della Rocca um das Jahr 1259 zerstört.


Vor dem schrägen Aufgang in das Castellu die Capula, der von Mauern verdeckt wird (Foto rechts), steht eine aus zwei Fragmente bestehende, verwitterte Menhirstatue , die ein Langschwert als Bewaffnung zeigt (Foto links).


Der Eingang zur Festung wird von Felsblöcken gesäumt, von denen einige Tafoni vorweisen. Die Anlage ist eine der wenigen Befestigungen des Mittelalters, die Reitern den Zugang erlaubte.


Im Zentrum des Castellu die Capula werden immer noch Ausgrabungsarbeiten durchgeführt. Die ursprüngliche Funktion des höher gelegenen, als Donjon bezeichneten Teils der Anlage ist bis heute nicht bekannt. Offen bleibt die Frage, ob es sich um einen Turm, eine Zisterne oder ein Grab handelte.


Die zerstörte Kapelle aus dem 13. Jahrhundert lag außerhalb der Befestigungsmauer des Castellu di Capula (Foto links). Aus den Steinen der Ruine wurde 1917 die neue Chapelle du Saint-Laurent erbaut (Foto rechts).


An der Straße der Mühlen liegt der Ort Ulmetu (französisch: Olmeto). Der an einem hang zwischen Olivenbäumen gelegene Ort weckt die Erinnerung an Prosper Mérimées Romanheldin Columba Carabelli und lädt zu ausgedehnten wanderungen ein. Hier residierte einst Graf Arrigio della Rocca (1351 - 1401)  der im Jahre 1376 mit katalanischer Unterstützung die Genuesen - mit Ausnahme aus Bonifacio und Calvi - von der Insel vertreiben konnte und Korsika anschließend vier Jahre lang mit großer Weisheit regierte.


Das Ulmetu mit den Häusern der Lebenden (Foto links) und den Häusern der Toten (Foto rechts).

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